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DIE STIFTER

Die am 17. August 1930 im Elsass geborene Simone Arnold-Liebster gehörte mit ihren Eltern zu einer Gruppe von Zeugen Jehovas in Mühlhausen. Der Schulbesuch wurde seit dem deutschen Einmarsch 1940 zur täglichen Prüfung ihrer Prinzipien: Das eigene Gewissen musste sich jeden Tag gegen den allgegenwärtigen Zwang erheben. Die „Germanisierung“ des Elsass verwandelte Lehrer in fanatische Nationalsozialisten. Simone Arnold-Liebster wurde psychisch und physisch misshandelt, von der höheren Schule verwiesen, schließlich im April 1943 ihrer Mutter entrissen und in eine NS-Erziehungsanstalt in Konstanz verschleppt. Dort musste sie Zwangsarbeit leisten und seelische Misshandlung durchstehen. Wäre die Befreiung nicht gekommen, hätte man sie mit 15 Jahren in ein Konzentrationslager überstellt.

Simone Arnold-Liebsters engster Freund Marcel Sutter wurde im Alter von 24 Jahren am 5. November 1943 in Halle wegen Kriegsdienstverweigerung enthauptet. Simones Vater Adolphe Arnold durchlitt seit seiner Verhaftung durch die Gestapo im September 1941 die Konzentrationslager Schirmeck, Dachau, Mauthausen und Ebensee, ihre Mutter Emma Arnold seit 1943 die Konzentrationslager Schirmeck und Gaggenau. Dort rettete sie unter Einsatz ihres Lebens anderen wie der später als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichneten Widerstandskämpferin Louise Blazer das Leben. Adolphe und Emma Arnold blieben zeit ihres Lebens von Haft und Folter gezeichnet, aber einem Weg der Versöhnung und der Mitmenschlichkeit verpflichtet.

Der am 15. Februar 1915 in Reichenbach im Odenwald geborene und am 28. Mai 2008 in Aix-les-Bains verstorbene Max Liebster, mit dem Simone Arnold-Liebster seit 1956 verheiratet war, stammte aus einer jüdischen Familie. Viele seiner Familienmitglieder wurden ermordet. Max überlebte die Konzentrations- und Vernichtungslager Sachsenhausen, Neuengamme, Auschwitz und Buchenwald.

Max Liebster und Simone Arnold-Liebster haben vor zahlreichen Zuhörerschaften an Schulen, Universitäten oder Museen – darunter mehrfach am United States Holocaust Memorial Museum in Washington – in über 60 Städten in Europa und den Vereinigten Staaten gesprochen.

Seit der Gründung ihrer Stiftung hat Simone Arnold-Liebster zahllose Gespräche mit Zehntausenden Jugendlichen insbesondere an amerikanischen Schulen über die NS- Verfolgung und die Möglichkeiten von Widerstand und Toleranz geführt. Bis heute arbeitet sie mehrmals wöchentlich per Videokonferenz mit Schulklassen und Jugendgruppen. Unermüdlich setzt sie sich als Zeitzeugin gegen das Vergessen und für die Erziehung zu Toleranz und Mitmenschlichkeit ein und steht für Projekte mit Jugendlichen zur Verfügung, wie etwa im Rahmen des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus 2021 des Landtags von Baden-Württemberg, siehe auch hier.

Simone Arnold-Liebster gehörte 1986 zu den Mitgründerinnen des CETJAD (Cercle Européen des Témoins de Jehovah Anciens Déportés et Internés), der ersten Organisation, die sich der Erinnerung an die Verfolgung ihrer bis dahin in der Öffentlichkeit vergessenen Opfergruppe widmete und damit einer Leerstelle im historischen Gedächtnis entgegenwirkte. Beträchtliche internationale Aufmerksamkeit erfuhr sie für ihr Buch «Allein vor dem Löwen. Ein kleines Mädchen widersteht dem NS-Regime» das ein bewegendes Zeugnis ihrer Verfolgung und ihres Widerstands sowie eines der eindrucksvollsten Erinnerungsbücher über die NS-Verfolgung eines jungen Menschen ist. Das machen auch die einleitenden Würdigungen durch Abraham J. Peck, früherer Mitarbeiter Elie Wiesels, Vorsitzender des United States Holocaust Memorial Museum und Vizepräsident der Association of Holocaust Organizations, sowie Sybil Milton, prominente Holocaust-Forscherin und ehemals leitende Historikerin des United States Holocaust Memorial Museum, deutlich.

Das Buch und die Geschichte der jungen Simone werden seit vielen Jahren auch in der pädagogischen Arbeit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin genutzt (https://www.verfolgung-von-jugendlichen-im-ns.de/biographies/simone-arnold). Allein vor dem Löwen wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und wird etwa in den USA auch als Schullektüre verwendet. Pädagogisches Begleitmaterial dazu liegt vor.

Simone Arnold-Liebster hat vor wenigen Jahren auch eine Initiative für ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas in Europa ins Leben gerufen. Diese Initiative wird von Uwe Neumärker, dem Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, dem Sprecher des Beirats der Stiftung Denkmal, Professor Wolfgang Benz, maßgeblichen Historikern auf diesem Gebiet wie den Professoren Detlef Garbe, Peter Steinbach und Johannes Tuchel sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Klaus von Dohnanyi, dessen Familie selbst Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete und verfolgt wurde, und weiteren Überlebenden und ihren Nachkommen aus der jüdischen Opfergruppe und der der Sinti und Roma, die im Nationalsozialismus Hilfe von Zeugen Jehovas erfuhren, mitgetragen. Am 14. Februar 2022 erklärte die zuständige Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, das Denkmal sei «überfällig» und es sei ihr «ein besonderes Anliegen, dieses wichtige erinnerungspolitische Projekt schnell voranzubringen».

Simone Arnold Liebster

Kurzbiographie

Max Liebster

Kurzbiographie